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„Der symbolische Ausverkauf der Stadt”

„Der symbolische Ausverkauf der Stadt”

Wir haben die Leipziger Stadtpolitiker dazu aufgefordert, einen Ortsteil freizukaufen. Auf unsere Aktion haben wir bislang vor allem Rückmeldung aus der Fraktion „Die Linke” bekommen. Dabei gab es auch kritische Nachfragen. Wir würden den Ausverkauf der Stadt simulieren – und damit unser Ziel ad absurdum führen, schrieb uns Skadi Jennicke. Wir sehen das Ganze aus einem anderen Blickwinkel. Deshalb möchten wir uns dazu positionieren. Teil Eins unserer Kritik-Zusammenfassung.

27. Oktober 2014 von Christina Schmitt

Eine halbe Stunde nachdem wir unsere E-Mails an die Stadtpolitiker abgesetzt hatten, machte es Bling: eine neue Nachricht. Skadi Jennicke von der Partei Die Linke schickte prompt ihre Antwort. Sie findet einundleipzig an sich unterstützenswert, schrieb sie. Ihr Urteil zu unserer Freikauf-Aktion aber fiel so gar nicht positiv aus. Als Begründung schrieb sie uns später Folgendes:

(Ich halte es) „für eine problematische Herangehensweise. Ihr Projekt – wie ich es verstehe – will öffentliche Steuerung des Mietmarkts, um jene zu schützen, die die steigenden Preise nicht, nicht mehr oder nur noch unter großen Anstrengungen bezahlen können. Mit Ihrer Idee bieten Sie symbolisch den Ausverkauf unserer Stadt an, überlassen den Kauf der Stadtteile dem freien Markt. Wer viel Geld hat, kann theoretisch die ganze Stadtkarte kaufen. Wollen Sie das wirklich? Im besten Fall repräsentieren die Stadträte die Stadtgesellschaft, unter ihnen sind also auch Einkommensarme, Geringverdiener, Hartz-IV-Empfänger, Selbständige etc. Und nachvollziehbarer Weise wirkt sich die soziale Sensibilität gegenüber solchen Lebensläufen auf die politische Positionierung gegenüber Ideen wie öffentliche Mietmarktsteuerung aus. Wer kaum Leute kennt, die verdrängt werden, die ihre Miete nicht mehr zahlen können etc. wird sich kaum für derartige Ideen erwärmen können.”

Wir danken Frau Jennicke für diesen Einwand. Offenbar sollten wir ein paar Dinge klarstellen und Missverständnisse beseitigen. Hier unsere Erwiderung an Frau Jennicke:

Zunächst einmal sollten wir deutlich machen, dass wir mit unserem Projekt nicht für die “öffentliche Steuerung des Mietmarktes” oder für andere politische Forderungen eintreten. Wir verstehen uns als wissenschaftsjournalistisches Projekt, dass aus möglichst vielen Perspektiven momentane Entwicklungen in Leipzig darstellen möchte und dabei verschiedene Akteure zu Wort kommen lässt. Uns ist klar, dass wir nicht vollkommen objektiv in unserer Berichterstattung sein können, versuchen diesem Ideal aber dennoch nahe zu kommen.

Mit der Aktion wollen wir zum einen eine Finanzspritze für unser Projekt. Sie können den “Ausverkauf der Stadt” ebenso als Crowdfunding unserer Plattform verstehen oder als Spenden-Sammelaktion. Aber erst durch die ironische Anspielung und die Visualsierung unserer Unterstützer, glauben wir, Aufmerksamkeit für unsere Ziele schaffen zu können. Insofern ist der “symbolische Ausverkauf der Stadt” absolut gewollt. Dass nicht jeder Stadtpolitiker privat die gleichen finanziellen Mittel dazu hat, leuchtet uns ein. Aber wir freuen uns auch über andere Formen der Unterstützung: Sei es der offensive Einsatz der Stadtpolitiker für offene Daten oder eine moralische Unterstützung für uns persönlich. Auch praktische Dinge sind immer willkommen: Wenn uns zum Beispiel jemand Werbemittel wie Sticker oder Postkarten zum Super-Sonderpreis oder einen Raum für eine kleine Re-Launch-Party zur Verfügung stellen könnte. Damit könnten Sie uns helfen, möglichst viele Leipziger auf einundleipzig aufmerksam zu machen.

Zweitens wollen wir mit der Freikauf-Aktion darauf aufmerksam machen, dass der Umgang der Stadt mit offenen Daten noch immer sehr stiefmütterlich ist. Und das, obwohl sie sich Open Data auf die Fahnen geschrieben hat. Deshalb sprechen wir vor allem die Stadträte an. Wir möchten, dass sie sich für offene Daten einsetzen, damit Projekte wie unseres, aber auch die Bürger in Zukunft einen barrierefreien Zugang haben zu den Informationen um die Stadt: Wir verstehen darunter nicht nur Datensätze etwa zur Binnenwanderung, sondern auch Verträge der Stadt etwa bei Bauprojekten. Dass das geht, zeigt nun die Transparenz-Offensive in Hamburg. Ihren Einwand, dass Unternehmen sich dies zunutze machen und die Stadt ein wichtiges Instrumentarium zur öffentlichen Steuerung aus der Hand geben würde, wollten wir hierbei nicht unter den Tisch fallen lassen:

„Dass die städtische Verwaltung Daten, die sie mit Hilfe öffentlicher Gelder erhoben hat, nicht jedem kostenfrei zur Verfügung stellt, ist vom Ansatz her richtig. Täte sie das nämlich, könnte auch jeder Investor und Vermieter den Anspruch auf freie Verfügung haben, was ihren Wert als Grundlage öffentlicher Steuerung mindern würde.”

Soweit uns das bekannt ist, kann jeder Investor Daten der Stadt kaufen. Wenn dieser wirklich Interesse hat an solchen Daten, sollten mehrere hundert Euro, wie sie die Stadt anfangs auch von uns hätte verlangen müssen, kein Problem sein. Und die Bürger hätten dann noch immer keinen Zugang zu allen Daten (einige sind ja bereits online, das stimmt. Viele aber noch nicht). Wissensvorsprung ist nach unserem Verständnis ein Machtinstrument. Gehen wir einen logischen Schritt weiter, würden also im Zuge einer Transparenz-Offensive nicht nur sozialgeographische Daten der Stadt veröffentlicht, sondern auch Verträge der Stadt mit Unternehmen, dürfte der Einspruch aus der Wirtschaftsecke wieder sehr groß sein: Vertragsabsprachen und Preise würden offen liegen. Ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz, würden die Unternehmer behaupten. Und die Stadt müsste Rechenschaft ablegen, warum sie an wen welchen Auftrag vergibt – und zu welchen Konditionen. Wir würden eine solche Entwicklung begrüßen.

Am Ende hat uns Frau Jennicke noch einen Tipp gegeben, wie wir finanzielle Unterstützung für unser Projekt erhalten könnten:

„Sind Sie als Verein organisiert, können Sie Fördermittel beantragen. Sich um Spenden zu bemühen, ist eine weitere Möglichkeit. Meine Fraktion würde Ihre Arbeit gern mit einer Spende aus den Aufwandsentschädigungen der Stadträte unterstützen. Und: Fragen Sie doch mal bei den großen Investoren! Wenn sie reflektieren, woher ihr Reichtum stammt, wären sie möglicherweise bereit, davon etwas zurückzugeben.”

Über eine Spende aus den Aufwandsentschädigungen würden wir uns sehr freuen. Aber wie gesagt, auch andere Dinge helfen uns schon weiter. Auch die kritische Diskussion um unser Projekt begrüßen wir. Außerdem fänden wir es toll, wenn noch andere Fraktionen (aus allen politischen Lagern) sich dazu entschließen, unser Projekt zu unterstützen. Wir haben bewusst vorrangig die Stadtpolitiker angesprochen – und keine Investoren – da sie die Repräsentanten der Bürger sind und politisch am meisten bewirken können, was Open Data angeht. Einundleipzig soll eine Art städtisches „Gemeingut” werden, beruhend auf offenen Daten.

 
 

Förderer:

... sowie großen Dank an unsere individuellen Förderer